Willkommen im Expertenkreis „Sicherheits- und Gesundheitskultur“
Wir wissen eigentlich, wie ein erfolgreicher Arbeitsschutz und eine nachhaltige Gesundheitsförderung zu gestalten und zu steuern sind. Dennoch werden viele nachweislich wirksame Ansätze, Prinzipien und Maßnahmen im Arbeitsalltag nicht eingesetzt oder sie greifen einfach nicht. Selbst bei Nutzung im Prinzip wirksamer Maßnahmen zur Einführung und Umsetzung von sicherheits- und gesundheitsgerechtem Verhalten am Arbeitsplatz, wie Zielvereinbarung, Monitoring oder Feedback, variiert die Compliance-Rate mit den eingeführten Verhaltensregeln im Durchschnitt über einen Zeitraum von 1 bis zu 5 Jahren zwischen 26% und 69% (Krause et al. 1999; zitiert nach Hale & Borys, 2013). In der GAMAGS-Studie konnten ebenfalls auf organisationaler Ebene relativ große Abweichungen zwischen offiziell eingeführten betrieblichen Strukturen zur Gewährleistung eines hohen Sicherheitsniveaus und ihrer Umsetzung im Alltag festgestellt werden (Zimolong & Elke, 2001). Die Einführung von Regeln und Strukturen ist für einen erfolgreichen Arbeitsschutz nachgewiesenermaßen zwar grundlegend, aber nicht ausreichend. Regelungen müssen auch gelebt werden. Es bedarf einer Sicherheits- und Gesundheitsförderlichen Unternehmenskultur.
Fragen nach den „heimlichen“ impliziten Spielregeln im Arbeitsschutz und Unternehmen, wie erreicht werden kann, dass Sicherheit und Gesundheit ohne explizite Aufforderung oder Androhung von Konsequenzen, sondern ganz selbstverständlich im Alltag mitgedacht und bei Entscheidungen als normale Kriterien berücksichtigt werden, beschäftigen unsere Community schon seit vielen Jahren und vor allem auch die Frage nach der Förderung einer entsprechenden Kultur. Dabei handelt es sich Fragen, die aktuell wieder verstärkt im Anwendungsfeld und in der Forschung gestellt und aufgegriffen werden. So veranstaltete die DGUV im Juni 2013 eine Fachveranstaltung zu dem Thema: „Welchen Einfluss haben Arbeitskulturen auf Erfolg oder Misserfolg in der Prävention?“ Andrew Hale untermauert in seiner aktuellen Publikation in Safety Science , ausgehend vom heutigen Forschungsstand, die bedeutende Rolle der Sicherheitskultur, nicht nur für die Umsetzung expliziter Regelungen, sondern vor allem auch für die Handlungssteuerung bei nicht standardisierbaren Arbeitstätigkeiten und in komplexen Arbeitskontexten. Dennoch gibt es eine Fülle von Fragen, sowohl was die Konzepte der Sicherheits- und Gesundheitskultur, als auch ihre Förderung im Alltag anbelangt. Der vorliegende Expertenkreis schafft ein Forum für einen entsprechenden Erfahrungsaustausch und die Förderung des Wissenstransfers zwischen Wissenschaft und Praxis.
Leitidee. Der Sicherheits- und Gesundheitskultur kommt in Form der gelebten Selbstverständlichkeiten im Umgang mit Fragen der Sicherheit und Gesundheit im Arbeitsalltag eine zentrale Bedeutung zu. Ihre inhaltliche Ausprägung, Reichweite und Stärke beeinflussen in Unternehmen maßgeblich, wie vielfach empirisch nachgewiesen werden konnte, das sicherheits- und gesundheitsgerechte Denken und Verhalten der Beschäftigten, das Handeln der Führung und des Managements sowie das betriebliche Sicherheits- und Gesundheitsniveau insgesamt. Für einen erfolgreichen Arbeitsschutz ist es insofern wichtig, die Ausprägungen der Sicherheits- und Gesundheitskultur und Ansätze zu ihrer Förderung zu kennen und zu nutzen. Kulturveränderung ist allerdings nicht per Anordnung zu erreichen, sondern sie stellt einen Prozess dar, der Zeit und das Engagement vor allem der Führungskräfte als zentrale Kulturpromotoren braucht.
Ziel. Es liegt mittlerweile zwar eine unübersehbare Fülle an Konzepten und empirischen Arbeiten zur Sicherheitskultur und Gesundheitskultur vor, aber es gibt ebenso viele offene Fragen. Wir wollen in diesem Expertenkreis das vorliegende Knowhow aus Wissenschaft und Praxis auf der einen Seite bündeln, strukturieren und uns kritisch damit auseinandersetzen. Auf der anderen Seite geht darum, auf dieser Grundlage dafür zu sorgen, dass das vorhandene fundierte Wissen besser für die Bewältigung von Fragen der Sicherheit und Gesundheit im Unternehmensalltag und im Kontext der Beratung durch das Aufsichtspersonal von Ländern und Unfallversicherungsträgern genutzt werden kann.
Mit-Arbeit. Wir wollen im Vorfeld des nächsten Workshops der Psychologie für Arbeitssicherheit und Gesundheit (Juni 2014) versuchen, die zentralen Bedarfe in Gesprächen mit interessierten Experten, u. a. auch mit Vertretern der DGUV zu sammeln, und auf dieser Grundlage dann gemeinsam die Leitfragen für unsere Arbeit in der Expertengruppe weiterentwickeln und Präferenzen setzen. Im Rahmen des Workshops werden wir uns als Expertenkreis und unsere ersten Ergebnisse vorstellen sowie das weitere Vorgehen gemeinsam diskutieren.
Experten aus Wissenschaft und Praxis, die Interesse an einer Mitarbeit in dieser Gruppe haben, melden sich bitte mit einer Skizzierung ihrer Expertise bei Prof. Dr. Gabriele Elke (Ruhr-Universität Bochum; gabriele.elke@rub.de).
Für den Austausch innerhalb der Gruppe steht ein entsprechendes geschlossenes Internetforum zur Verfügung.
Als weiteres Vorgehen schlagen wir vor, offene Frage zu sammeln und Handlungsbedarfe zu formulieren. Fragen, die uns im Moment u. a. beschäftigten, sind:
- Was sind anwendungsorientierte Kulturkonzepte? Was sind unsere Konzepte?
- Sind Unternehmenskultur, Sicherheitskultur und Gesundheitskultur dasselbe? Wo gibt es Überschneidungen? Wo gibt es Abweichungen im Hinblick auf zugrundeliegende Normen und Werte?
- Welches Menschenbild, Zeitverständnis, welche impliziten Verhaltenstheorien, welche Werte und Normen liegen dem aktuellen Handeln im Arbeitsschutz zugrunde oder schimmern durch?
- Gibt im Arbeitsschutz nur eine Kultur oder eher viele heterogene Subkulturen?
- Wie kann Kultur gemessen werden? Welche Instrumente liegen zur Diagnose einer förderlichen Sicherheits- und/oder Gesundheitskultur vor? etc.
Das ist nur ein kleiner Ausschnitt von vielen offenen Fragen und wir sind vor allem auf Ihre weiteren Fragen als interessierte Experten gespannt.
Unterstützung bei Fragen. Falls es Fragen und Unterstützungsbedarf (z. B. in Form von Vorträgen, Podiumsbeiträgen oder Diskussionsrunden etc.) im Rahmen der Auseinandersetzung mit ganz konkreten Fragen im Hinblick auf eine sicherheits- und gesundheitsförderliche Unternehmenskultur, Sicherheits- und/oder Gesundheitskultur, der Kulturdiagnose sowie der Entwicklung und Förderung einer positiven Sicherheits- und/oder Gesundheitskultur gibt, nehmen Sie über Prof. Dr. Gabriele Elke (gabriele.elke@rub.de) Kontakt zu uns auf und wir werden versuchen, für Sie die/den richtigen Ansprechpartner/in zu finden.
Leitung des Expertenkreises: Gabriele Elke und Reinhard R. Lenz