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Gefahrstoffe

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Definition und Verordnungen

Gefahrstoffe sind chemische Stoffe oder Zubereitungen (Stoffgemische), die – in der EU harmonisiert-  nach ihrem Gefährdungspotential eingestuft werden. Die umfangreiche Stoffliste ist zugänglich im Anhang der Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Stoffe [1] Die dort gemäß GHS (Global harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien) aufgeführten Stoffe sind klassifiziert bezüglich der Gefahrenklassen und –kategorien sowie der Gefahrenhinweise über Piktogramme und Signalworte. Die verwendeten Piktogramme, Einstufungskriterien und Gefährdungsbeurteilungen sind in der Verordnung erläutert.

Diese EU-Verordnung (etwa 2000 Seiten) ist Hintergrund für die deutsche Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen [2]. Deren Ziel ist, Menschen und Umwelt vor stoffbedingten Schädigungen zu schützen (1) durch die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen, (2) durch Maßnahmen zum Schutz von Personen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und (3) durch Beschränkungen für das Herstellen und Verwenden bestimmter gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse.

Als gefährlich im Sinne der GefStoffV werden Stoffe und Zubereitungen klassifiziert, die eine oder mehrere von 17 definierten Eigenschaften aufweisen, z. B. explosionsgefährlich, brandfördernd, hochentzündlich, giftig, gesundheitsschädlich, ätzend, reizend, krebserzeugend oder fortpflanzungsgefährdend. Die Verordnung legt fest, welche Pflichten der Stoffhersteller (z.B. Sicherheitsdatenblatt), der den Stoff anwendende Arbeitgeber (z.B. Gefährdungsbeurteilung und Schutzmaßnahmen) und der Beschäftigte beim Umgang mit dem Gefahrstoff (z. B. Verwenden der bereitgestellten Schutzausrüstungen) haben. Eine der Pflichten des Arbeitsgebers ist, die Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) zu gewährleisten.

Empfehlung von Grenzwerten

Der AGW ist definiert als höchstzulässige Konzentration eines Arbeitsstoffes in der Luft (Gas, Dampf, Schwebstoff) am Arbeitsplatz, die nach gegenwärtigem Stand der wissenschaftlichen Kenntnis die Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigt und nicht unangemessen belästigt. Der Wert bezieht sich auf eine achtstündige Expositionsdauer pro Arbeitstag und 40 Stunden Wochenarbeitszeit. Ergänzend dazu ist der Biologische Grenzwert (BGW) definiert. Das ist die beim Menschen höchstzulässige Menge eines Arbeitsstoffes bzw. eines Arbeitsstoffmetaboliten, die nach gegenwärtigem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis die Gesundheit der Beschäftigten auch dann nicht beeinträchtigt, wenn sie am Arbeitsplatz regelhaft erzielt wird.

Wissenschaftlicher Hintergrund der AGW und BGW sind die Empfehlungen zu maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK) und zu Biologischen Arbeitsstofftoleranzwerten (BAT). Diese werden von einer unabhängigen Expertenkommission erarbeitet und jährlich publiziert [3]. MAK-Werte sind für erheblich mehr Arbeitsstoffe vorhanden als BAT-Werte (mehr als 1000 versus etwa 125). Grund dafür ist, dass wissenschaftliche Informationen zu Konzentrationen eines Arbeitsstoffes in der Luft und deren gesundheitliche Wirkungen häufiger zugänglich sind. In dieser jährlich erscheinenden Schrift gibt es auch Übersichten zu Stoffen, für die derzeit kein MAK-Wert aufgestellt werden kann sowie zu krebserzeugenden und sensibilisierenden Stoffen.

Da krebserzeugende Stoffe in besonderem Masse als Besorgniserregend wahrgenommen werden, sei auf eine differenzierte Klassifizierung dieser Stoffe hingewiesen ([3], S. 163 – 182). Danach erhalten solche Arbeitsstoffe keinen MAK- oder BAT-Wert, die beim Menschen -epidemiologisch belegt – krebserzeugend sind oder solche Stoffe, die als krebserzeugend anzusehen sind, weil Tierversuche und epidemiologische Untersuchungen darauf hinweisen. Eine weitere Kategorie umfasst Stoffe, bei denen die Belege für eine mögliche krebserzeugende Wirkung Anlass zur Besorgnis geben, aber wegen unzureichender Informationen noch nicht endgültig beurteilt werden können. Zwei weitere Kategorien umfassen solche Stoffe, bei denen unter Einhaltung der MAK- und BAT-Werte kein Beitrag zum Krebsrisiko beim Menschen zu erwarten ist.

Informationen von Stoffherstellern und Arbeitgebern sollten in geeigneter Form auf das Gefährdungspotential von Arbeitsstoffen eingehen. Die vorgeschriebenen Piktogramme oder Signalworte sind nur Kurzinformationen. Sie bedürfen einer kognitiven „Umsetzung“, die individuell variieren kann. Insbesondere trifft das auf die Differenzierung krebserzeugender Arbeitsstoffe zu. Um den Besorgnissen von Exponierten mit angemessenen Informationen begegnen zu können, sei auf die Grenzwertbegründungen in der Reihe „Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe, toxikologisch-Arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten“ hingewiesen (Zu beziehen beim Verlag Wiley-VCH, Weinheim oder online unter http://www.mak-collection.com ). Leichter zugänglich und näher an der praktischen Anwendbarkeit orientiert ist die Stoffdatenbank GESTIS der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (http://www.dguv.de/ifa/GESTIS/GESTIS-Stoffdatenbank/index.jsp). Sie ist eine detaillierte Informationsquelle zu 9400 Stoffen, die auch Anwendungsaspekte berücksichtigt. 

Die Ableitung eines Grenzwertes stützt sich auf wissenschaftliche Informationen, welcher „Endpunkt“ mit gesundheitlicher Relevanz (z. B. Schleimhäute der Atemwege, Haut, kognitive Funktionen) beim betrachteten Stoff besonders empfindlich reagiert. Dann wird die Wirkschwelle des Stoffes gesucht, bei der sich die ermittelten Reaktionen von Exponierten noch nicht von Kontrollpersonen unterscheiden (NOAEL, No Observed Adverse Effect Level). Daraus wird abgeleitet, dass das als MAK- oder BAT-Wert definierte Konzentrationsniveau eines Arbeitsstoffes als „Gesundheit nicht beeinträchtigend“ bzw. „… unangemessen belästigend“ einzuschätzen ist ([3],S. 9-18).

Umgang mit Gefahrstoffen

Der Umgang mit Gefahrstoffen in der industriellen Produktion, in Handel und Gewerbe, im Verkehr und im Haushalt ist äußerst vielfältig und deshalb mit ebenso vielfältigen, möglichen Gefährdungen verbunden. Die Komplexität des Problems wird deutlich, wenn bei einer online-Suche unter „Gefahrstoffmanagement“ reichhaltige Angebote erscheinen. Sie zielen darauf, mittels professioneller Beratung, über Softwareprogramme oder über Weiterbildungsangebote Hilfen anzubieten, vordringlich für Verantwortliche beim Umgang mit Gefahrstoffen. Damit soll der umfangreiche gesetzliche Rahmen des Umganges mit Gefahrstoffen angemessen umgesetzt werden. Die erwähnte Datenbank GESTIS liefert in diesem Zusammenhang ebenfalls detaillierte Unterstützung für den sachgerechten Umgang mit Gefahrstoffen.

Psychologische Probleme des Umganges mit Gefahrstoffen betreffen das individuelle Wissen über die Gefährdung, die individuelle Bewertung der Gefährdung, also die persönliche Risikoeinschätzung, die direkten und indirekten psychischen Wirkungen eines neurotoxischen Stoffes sowie die Einstellungen in der sozialen Umgebung eines Betroffenen zur Situation einer Gefährdung. Übersichten zu diesen Problemen sind in aktuellen Bänden der Enzyklopädie der Psychologie enthalten [4],[5].

Einzelnachweise

1.CLP-VO. Im Internet: http://www.reach-clp-biozid-helpdesk.de/de/Downloads/CLP-VO/CLP_VO_Anhang_VI_konsol_de_20150601_pdf; Zugriff: 01.06.2015

2.GefStoffV. Im Internet: http://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze/gefstoffv.html; Zugriff: 26.11.2010

3.DFG. MAK- und BAT-Werte-Liste 2015. Weinheim: Wiley-VCH Verlag, ; 2015

4.Seeber A. Gefahrstoffe und Altlasten. In: Linneweber V, Lantermann ED, Kals E, Hrsg. Enzyklopädie der Psychologie Themenbereich C, Serie IX, Band 2 Spezifische Umwelten und umweltbezogenes Handeln. Göttingen: Hogrefe; 2010:45-77

5.Seeber A, van Thriel A. Verhaltenstoxikologie. In: Kleinbeck U, Schmidt KH, Hrsg. Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich D, Serie III, Band 1 Arbeitspsychologie  Göttingen: Hogrefe; 2010:371 – 429

Weblinks

http://www.mak-collection.com

http://www.dguv.de/ifa/GESTIS/GESTIS-Stoffdatenbank/index.jsp

Autor: Andreas Seeber

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